500 Kilometer frei-fließend

Die Oder

Naturnah über Grenzen hinweg

Die Oder gehört zu den größten Flüssen Mitteleuropas. Sie entspringt in den Oderbergen (Oderské vrchy) in Tschechien, von wo aus sie in Richtung der Grenze zu Polen fließt. Auf einem kurzen Abschnitt ist sie Grenzfluss zwischen Polen und Tschechien. Der längste Abschnitt liegt auf dem Gebiet Polens (503 km). Von der Mündung der Lausitzer Neiße bis zur Aufspaltung in Westoder und Ostoder markiert sie die Grenze zwischen Deutschland und Polen (163 km).

Ähnlich wie andere große Flüsse spielte die Oder eine Schlüsselrolle im Leben ihrer Anrainer. Systematisch angelegte Arbeiten am Hochwasserschutz und zur Erleichterung der Schifffahrt fanden in der Mitte des 18. Jahrhunderts statt. Es wurden Dutzende Durchstiche zur Umgehung der engsten Flussschleifen ausgeführt und dadurch der Flusslauf um ca. 160 km verkürzt. Im 19. Jahrhundert kam es zu einer weiteren Intensivierung der Regulierungsarbeiten, um das Flussbett für größere Lastkähne schiffbar zu machen. Es wurden neue Schleusen für die Schifffahrt errichtet, das Buhnensystem unter Verwendung neuer Technologien ausgebaut. Immer neue Hochwasser mit schweren Folgen bewirkten, dass das Deichsystem weiterentwickelt wurde und Überflutungspolder angelegt wurden.

Trotz dieser weit gehenden Umgestaltung der natürlichen Umwelt zeichnet sich die Oder noch heute durch eine hohe Vielfalt an Biotopen und Arten aus. Immer wieder finden wir hier gut erhaltene große Waldkomplexe, artenreiche Auen und Wiesen, sowie für Flusstäler typische Altwasser, die von dem früheren natürlichen Charakter zeugen. Viele von den hier ansässigen Pflanzen und Tieren werden in regionalen und nationalen Rote Listen der vom Aussterben bedrohten Arten geführt. Die Oder stellt ebenfalls einen der wichtigsten Ökokorridore Mitteleuropas zur Artenmigration und Verbindung zwischen entfernten Gebieten dar. Sie ist einer der letzten Flüsse in Europa, den Fische und andere Tiere noch über 500 km barrierefrei bis zum Meer durchwandern können.

Europäische Naturschutzgebiete

Die enorme Artenvielfalt der Oder ist auf europäischer Ebene anerkannt und somit viele Gebiete geschützt. Innerhalb der Europäischen Union werden Gebiete von besonderem Schutzinteresse durch das Natura-2000-Netzwerk geschützt, dessen Ziel es ist, das Überleben der Arten und Lebensräume zu sichern, die unter der Europäischen Vogelschutzrichtlinie und der Habitat-Richtlinie aufgeführt sind. Die Gewässer der Flusslandschaft Oder sind durch die EU-Wasserrahmenrichtlinie geschützt. Darüber hinaus gibt es in der Flusslandschaft Oder viele Nationalparks und Landschaftsschutzparks.

Entlang der Oder erstreckt sich ein beeindruckender Korridor von Natura-2000-Gebieten:

4.688 km²

Natura 2000-Schutzgebiete in Polen

2.440 km²

Natura 2000-Schutzgebiete in Deutschland

180 km²

Natura 2000-Schutzgebiete in Tschechien

Fluss-Paradies für bedrohte Arten

Lernen Sie nur eine kleine Auswahl der beeindruckenden Tiere und Pflanzen der Oder-Flusslandschaft kennen:

© Andreas Hartl/Fotograf
Der Baltische Stör

Ende der 1960er Jahre wurde in der Oder der letzte Baltische Stör gefangen. Fischerei, Gewässerverschmutzung und die Verbauung der Flüsse hatten die einst reichen Bestände ausgelöscht. Doch die Wasserqualität der Oder wurde wieder besser. Diese Qualität, Eigendynamik und vor allem die Durchgängigkeit der Oder bis zur Mündung in die Ostsee macht sie zum Hauptwiederansiedlungsgebiet. Nach 10-jähriger Vorbereitung wurden im April 2006 die ersten 2.000 Störe in der Oder ausgesetzt, mittlerweile sind es über eine Million.

Der Seggenrohrsänger

Der Seggenrohrsänger ist Europas seltenster ziehenden Singvogel. Er ist weltweit bedroht und seine Population nimmt ab. In der Roten Liste gefährdeter Arten der Weltnaturschutzunion (IUCN) steht er als weltweit gefährdet. Der Seggenrohrsänger braucht Feuchtgebiete, um zu überleben. An der Oder war der kleine Singvogel früher weit verbreitet und kommt jetzt nur noch äußerst wenigen Beständen vor. Das ebenfalls vom Flussausbau bedrohte Polesien weist den größten Teil der weltweiten Population auf. In den Wintermonaten zieht der Seggenrohrsänger in das Winterquartier in Westafrika.

© Zymantas Morkvenas/BEF Lithuania
© Piotr Chara/Fundacja Zielonej Doliny Odry i Warty
Die Zwergseeschwalbe

Die Zwergseeschwalbe ist die kleinste und in Mitteleuropa seltenste Seeschwalbe. Ihr Vorkommen weist auf flussdynamische Prozesse hin. Der Lebensraum des kleinen Vogels sind Sandstrände und flache Kiesbänke der großen Flüsse, wie sie noch an der Mittleren und Unteren Oder vorhanden sind. In Polen ist die Zwergseeschwalbe gefährdet und in Deutschland sogar vom Aussterben bedroht.

Der Ostseeschnäpel

Der Ostseeschnäpel ist wie der Stör ein Wanderfisch. Sowohl in der Roten Liste gefährdeter Arten der Weltnaturschutzunion (IUCN) als auch der HELCOM, eine zwischenstaatliche Kommission, die für den Schutz der Meeresumwelt im Ostseeraum zuständig ist, stuft den Ostseeschnäpel als gefährdet ein. Die Laichhabitate des Ostseeschnäpels sind die Unterwasserdünen in der Oder. Diese Fisch-Art wird bei Umsetzung des geplanten Oderausbaus dramatisch zurückgehen und ihre Laichplätze in der Strommitte der Oder dauerhaft verlieren.

© Jörg Freyhof/MFN Berlin