Berlin – Drei Jahre nach Unterzeichnung des deutsch-polnischen Wasserstraßenabkommens möchte die Republik Polen Planungen zum einseitigen Ausbau der Grenzoder vorantreiben. Nach einer fachlichen Auswertung der vorgelegten Dokumente zur Prüfung der Umweltverträglichkeit stellen die Umwelt- und Naturschutzorganisationen BUND, DUH, Heinz-Sielmann-Stiftung, NABU, WWF und Nationalparkverein Unteres Odertal sowie der Dachverband DNR gravierende Mängel fest: zu kurze Beteiligungsfristen, unzureichende Unterlagen und mehr offene Fragen als Antworten. Zudem werden aktuelle Entscheidungsprozesse in Deutschland zur Oder nicht berücksichtigt.
„Trotz der über tausend Seiten umfassenden Dokumente ist Polen seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, der deutschen Öffentlichkeit eine adäquate Prüfung des Projektes zu ermöglichen“, kritisiert DNR-Generalsekretär Florian Schöne.
So existiert keine belastbare ingenieursfachliche Planungsgrundlage für einen einseitigen Ausbau der Oder. Insbesondere die Texte zu den wasserbaulichen Maßnahmen sind konfus und widersprüchlich; doch gerade ihnen kommt bei der Beurteilung eine entscheidende Bedeutung zu. Daher befürchten die Verbände, dass das geplante Großprojekt zum Ausbau der Grenzoder aufgrund einer nicht auf wissenschaftlichen Grundlagen beruhenden Planung rechtswidrig genehmigt werden könnte.
Mit keinem Wort wird in den polnischen Planungsunterlagen die Position des Bundesverkehrsministeriums erwähnt. Bereits 2016 erklärte das Ministerium, dass die sogenannte Stromregelungskonzeption für die Wasserstraßen im deutsch-polnischen Grenzgebiet einer strategischen Umweltprüfung entsprechend der rechtlichen Vorgaben der Bundesrepublik Deutschland unterzogen wird. Die Oder ist als Wasserstraße für Deutschland bedeutungslos und aufgrund der geringen Transporte nur im Nebenwasserstraßennetz eingestuft. Auch bleibt ein von den Umweltverbänden in Auftrag gegebenes Gutachten unberücksichtigt, das unter anderem die Hochwasserschutz-Überlegungen der bisherigen Pläne zur Stromregelungskonzeption der Grenzoder bezweifelt. Die Verbände arbeiten seit 2017 in einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten deutsch-polnischen Projekt zum ökologischen Hochwasserschutz an der Oder.
„Die Umweltschäden, die mit dem einseitigen Ausbau der Grenzoder einhergehen würden, stellen eine erhebliche Verschlechterung des Zustands der Oder dar und damit einen Verstoß gegen die europäische Wasserrahmenrichtlinie“, so Schöne weiter. „Der Lebensraum von Fischen und anderen Wasserlebewesen würde durch den Ausbau der Oder wesentlich gestört – und dies ohne eine belegbare Verbesserung für den Hochwasserschutz an der Oder.“
Das geplante Vorhaben liegt nach Überzeugung der Verbände nicht im öffentlichen Interesse, da die Schaffung von Schifffahrtsbedingungen für den Hochwasserschutz durch Eisbrecher nur auf der polnischen Uferseite der Grenzoder sinnlos wäre. Zudem gibt es Alternativen mit wesentlich geringeren Umweltauswirkungen wie beispielsweise den Einsatz von Amphibex-Schwimmbaggern aus Kanada. Eine Genehmigung des einseitigen Ausbaus der Grenzoder allein am polnischen Ufer könnte nach europarechtlichen Vorgaben nicht abgeleitet werden.
Hintergrund
Die Stellungnahme zur Dokumentation der Umweltauswirkungen für die Umweltverträglichkeitsprüfung des Projekts mit dem Titel „1B.2 Stufe I und Stufe II Modernisierungsarbeiten an der Grenzoder als Teil des Hochwasserschutzprojekts im Einzugsgebiet der Oder und der Weichsel“ ist zusammen mit einer Kurzfassung „Ökologischer Hochwasserschutz im Einzugsgebiet der Oder“ und einem Gutachten „Wirksamkeit des geplanten Flutpolders Międzyodrze und der Stromregelungskonzeption für den Hochwasserschutz der Unteren Oder“ unter www.dnr.de und hier erhältlich.