Berlin. Der geplante Donau-Oder-Elbe-Kanal stößt bei den Umweltverbänden WWF, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und dem Umweltdachverband DNR auf massive Kritik. Sie fordern einen sofortigen Stopp des geplanten Mega-Projekts in Polen und der Tschechischen Republik, von dessen Auswirkungen auch Deutschland und Österreich betroffen wären. „Die Flüsse Elbe, Oder und Donau miteinander zu verbinden, ist ein naturschutzpolitischer Irrsinn“, erklären die Organisationen übereinstimmend. „Das wäre das Ende dieser letzten großen und noch relativ naturnahen Fluss- und Auenlandschaften.“
Bereits im März dieses Jahres hatten 18 Umweltorganisationen aus fünf Staaten in einem Brief an die Brüsseler Kommissare für Umwelt und Verkehr vor den destruktiven Auswirkungen des durch die polnischen und tschechischen Regierungen geplanten Bau des Donau-Oder-Elbe-Kanals gewarnt. Die Verbände zeigen sich nun erfreut, dass die EU-Kommission die Vorschläge der Mitgliedstaaten zu Infrastruktur-Großprojekten kritisch prüfen will, wie es aus der Antwort der EU-Kommissarin für Verkehr, Adina Vălean, auf den Verbändebrief hervorgeht.
Mit Blick auf die Ankündigung von der EU-Kommissarin Vălean, die EU-Verkehrsplanung (TEN-T) nicht erheblich zu ändern, erklärt Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender: „Dass die Verkehrsplanung der EU nicht für größere Projekte erweitert werden soll, ist eine gute Nachricht für den Naturschutz und insbesondere für die Flüsse. Wasserstraßenausbauprojekte wie der Donau-Oder-Elbe-Kanal oder das Projekt E40 in Polen haben einen zweifelhaften verkehrlichen Nutzen, würden aber viele wertvolle Lebensräume zerstören und das Aus für seltene Tiere und Pflanzen bedeuten. Angesichts von Klimawandel und Artensterben sind diese Projekte nicht mehr zeitgemäß.“
Die Umweltorganisationen sehen die Verantwortung nun bei der Bundesregierung die Weichen zu stellen, damit das gigantische Infrastrukturpaket der EU umweltkonform gestaltet wird. Hierzu erklärt Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz WWF: „Der neue Mega-Kanal bedroht mit Elbe-Oder-March die letzten frei-fließenden Flüsse Europas. Damit sind auch bedeutende Auenschutzgebiete in Gefahr. Die Pläne stehen im Widerspruch zu allen Umweltzielen der EU. Daher fordern wir die Bundesregierung auf, während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ein Vorgehen für die Förderung von Infrastruktur durch die EU zu verankern, das sicherstellt, dass die Zielsetzungen der Umweltvorgaben eingehalten werden. Klimaziele und der Erhalt der Vielfalt von Lebensräumen und Arten müssen gewährleistet sein und an erster Stelle stehen.“
Die Antwort der EU bewerten die Umweltorganisationen insgesamt eher positiv. Doch Planungen zu Wasserstraßenprojekten ziehen sich oft über Jahrzehnte ja bis zu Jahrhunderten hin. Beispielsweise sind erste Ideen zum Donau-Oder-Elbe-Kanal 300 Jahre alt. Vom Tisch sind die aktuellen Planungen zu Wasserstraßenprojekten derzeit noch nicht.
Hintergrund:
18 Umweltorganisationen aus Deutschland, Polen, der Slowakei, Tschechien und Österreich, wandten sich im März diesen Jahres mit einem gemeinsamen Brief an die Brüsseler Kommissare für Umwelt, Virginijus Sinkevičius, und für Verkehr, Adina Vălean.
Donau-Oder-Elbe-Kanal:
Für die Kanalverbindung zwischen Donau, Oder und Elbe, die eine weitere schiffbare Verbindung vom Schwarzen Meer zur Nord- und Ostsee schaffen soll, müssten mehrere hundert Kilometer lange künstliche Wasserstraßen gebaut werden. Um Güterschiffe über ein Mittelgebirge zu hieven und bis zu 250 Höhenmeter zu überwinden, wäre der Bau von rund 70 Staustufen notwendig. Die Kosten würden nach ersten Schätzungen etwa 23,5 Milliarden Euro betragen, wie aus einer nicht veröffentlichten tschechischen Studie hervorgeht.
Aufgrund der lang anhaltenden Niedrigwasserphasen müssten Oder und Elbe zusätzlich zum eigentlichen Projekt mit dutzenden Staustufen komplett kanalisiert werden, soll das Ziel, eine schiffbare Verbindung der beiden Meere herzustellen, erreicht werden. Die Kosten und Schäden durch das Mammutprojekt würden sich somit noch potenzieren und das wäre das Ende dieser letzten großen und noch relativ naturnahen Fluss- und Auenlandschaften.
TEN-T:
Die Europäische Union überarbeitet und evaluiert derzeit die Leitlinien zum transeuropäischen Verkehrsnetz (Trans-European Transport Network, kurz: TEN-T) und die dazugehörenden Verordnungen. TEN-T soll einen Orientierungsrahmen für den Ausbau der Verkehrsnetze bilden. Wird ein Projekt aufgenommen, können die Mitgliedstaaten Förderung durch die EU beantragen.
Laut der Kommissarin Vălean beabsichtigt die EU bei der kürzlich begonnenen TEN-T-Überprüfung keine erheblichen Änderungen. Begonnene Projekte müssen erst fertiggestellt werden. Sollte die polnische oder tschechische Regierung Abschnitte des Kanalprojekts insbesondere die Oder für TEN-T vorschlagen, wird die EU-Kommission dies laut Ankündigung sorgfältig prüfen, denn der Kommission sei bewusst, dass Kompensationen, die den Verlust von Lebensräumen ausgleichen sollen, oftmals nicht möglich sind. Würde der Oder-Donau-Elbe-Kanal Teil von TEN-T, stiege die Wahrscheinlichkeit, dass die EU substanziell bei der Finanzierung des mindestens 23 Milliarden Euro teuren Baus hilft.
Die Oder:
Die Oder wurde in der Antwort von Kommissarin Vălean explizit erwähnt – siehe auch Absatz zu TEN-T. An der deutsch-polnischen Grenzoder droht schon jetzt ein Ausbau der Oder, vorangetrieben von der polnischen Regierung. Die Umwelt- und Naturschutzverbände prüfen rechtliche Schritte gegen dieses Projekt. Kritikpunkte: Der Ausbau der Oder hätte nicht nur dramatische Auswirkungen auf den Fluss und seine Auenlandschaften, sondern würde auch der Binnenschifffahrt wenig nutzen, da das notwendige Wasser für den Gütertransport fehlt. Die Oder darf auf keinen Fall Teil des TEN-T werden, sonst finanziert die EU sinnlose Naturzerstörung.
E40 – Flussausbau und Zerstörung über 2000 Kilometer:
Der Brief weckt auch die Erwartungen der Umweltorganisationen bezüglich der Planungen für die angedachte Wasserstraße E40. Hier sollen über Weichsel, Bug, Pina, Pripyat und Dnieper eine weitere Verbindung von der Nordsee zum Schwarzen Meer geschaffen werden, mit desaströsen Folgen für Polen, Belarus und Ukraine.